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Pierre Marteau's Publishing House

REZENSONEN:

S. Kracauer (NZZ)

LA MARSEILLAISE

Jean Renoir. France 1938.
b/w - F: 135, USA: 130 min.

Produced by: Jean Renoir

Writing credits: N. Martel Dreyfus, Carl Koch, Jean Renoir, Madame Jean-Paul Dreyfus

Original music: Joseph Kosma
Non-original music:
Johann Sebastian Bach, Michel Richard Delalande, André-Ernest-Modeste Grétry, Wolfgang Amadeus Mozart, Jean-Philippe Rameau, Claude Joseph Rouget de Lisle (song La Marseillaise), Sauveplane

Cinematography:
Jean-Paul Alphen, Jean Bourgoin, Alain Douarinou, J. Louis, Jean-Marie Maillols
Film Editing: Marthe Huguet, Marguerite Renoir

Cast overview:
Pierre Renoir (Louis XVI), Lise Delamare (Marie Antoinette), Léon Larive (Picard), William Aguet (La Rochefoucauld), Elisa Ruis (Mlle de Lamballe), G. Lefebvre (Mme Elisabeth), Louis Jouvet (Roederer), Georges Spanelly (La Chesnaye), Jaque Catelain (Capitaine Langlade), Pierre Nay (Dubouchage), Edmond Castel (Leroux), Aimé Clariond (M. de Saint Laurent), André Zibral (M. de Saint Merri), Jean Aymé (M. de Fougerolles), Irène Joachim (Mme de Saint-Laurent), Andrex (Honore Arnaud), Edmond Ardisson (Bomier, as Ardisson), Paul Dullac (Javel), Jean-Louis Allibert (Moissan as J.L. Allibert), Fernand Flament (Ardisson), Alex Truchy (Cugulière), Georges Péclet (Un Chef Marseillais as Peclet), Géo Dorlys (Un Chef Marseillais as Géo Dorlis), Géo Lastry (Capitaine Massugue), Adolphe Autran (Le Tambour as Autran), Nadia Sibirskaļa (Louison), Jenny Hélia (L'interpellatrice as Jenny Helia), Gaston Modot (Un Volontaire), Julien Carette (Un Volontaire), Severine Lerczinska (Une Paysanne as S. Lerczinska), Marthe Marty (La mère de Bommier), Jean Aquistapace (Maire du village), Edmond Beauchamp (Le curé/Priest), Fernand Bellan), Jean Boissemond), Edouard Delmont (Cabri le paysan), Blanche Destournelles), Maurice Escande (Le Seigneur du Village), Pierre Ferval), Lucy Kieffer), Roger Prégor), Pamela Stirling (Suivante), Génia Vaury (Suivante)

Art Direction: Léon Barsacq
Set Decoration: Jean Perrier, Georges Wakhévitch
Costume Design: Coco Chanel (Maria Antoinette costumes), Granier Chanel
Makeup Department: Burton (hair stylist), Pierromax (makeup artist)

Second Unit Director or Assistant Director: Jacques Becker (assistant director), Tony Corteggiani (assistant director as Corteggiani), Guy Demazure (assistant director as Demazure), Jean-Paul Dreyfus (assistant director as J.P. Dreyfus), Marc Maurette (assistant director), Claude Renoir (assistant director as Cl. Renoir Sr.)

Sound Department: Jean Bertrand (sound engineer), J. Demede (sound), Joseph de Bretagne (sound)
Other crew: Louis Joly (production administrator), Lotte Reiniger (shadow puppets), André Zwoboda (production director)

Reviews:

    Siegfried Kracauer: LA MARSEILLAISE

    Zurzeit befindet sich hier ein Filmprojekt in Vorbereitung, dessen Realisierung in thematischer und organisatorischer Hinsicht allgemeines Interessen beansprucht. Der rühmlich bekannte französische Filmregisseur Jean Renoir -- er behandelt seit Jahren mit Vorliebe soziale Stoffe und hat erst unlängst Gorkis »Nachtasyl« verfilmt - plant einen großen Revolutionsfilm LA MARSEILLAISE, der aber von vornherein nicht wie irgendein Privatgeschäft, sondern unter aktiver Beteiligung der Bevölkerung aufgezogen werden soll. Dieser Film, so ungefähr argumentiert Renoir, darf kein Produkt der Branche sein, denn er ist eine Angelegenheit der Nation; und da er sich an die republikanisch gesinnten Massen wendet, muß er auch durch die Massen zustandekommen.
    Dem neuartigen Gedankengang entspringt eine neuartige Finanzierungsmethode: eine öffentliche Subskription wird ausgeschrieben, die zu zeichnen nahezu jeder in der Lage ist. Oder hat nicht jedermann die Möglichkeit, für eine ihn betreffende Sache einen Beitrag von zwei Francs zu spenden? Tatsächlich ist die Emission von Anteilen in der mikroskopisch geringen Höhe von zwei Francs projektiert. Wer einen solchen Anteil erwirbt, gibt gewissermaßen ein Darlehen, das er später zurückvergütet erhält. Sowohl den Kinobesitzern wie den Kinobesuchern nämlich werden die Zwei-Franc-Anteile als Zahlungsmittel dienen: jenen beim Bezug des Films, diesen beim Eintritt in alle Kinos, die ihn spielen. Angenommen, das Kinobillett koste sechs Francs, so hätte der Inhaber eines Anteils nur noch vier Francs zu entrichten. Das Prinzip ist einfach. Kommerziell ausgedrückt, besteht es darin, daß die künftigen Besucher die Produktionskosten des Filmes bevorschussen und hierfür zuzüglich ihrer Einlage eine Dividende in Gestalt des Lustgewinnes empfangen, den ihnen der Film verschafft.
    Die Frage, ob sich die nötige Zahl von Kleinaktionären findet, wird von Jean Renoir mit begründetem Optimismus bejaht. Zunächst hat sich bereits eindeutig gezeigt, daß der Film dank seinem Thema ein starkes Echo weckt. Und wenn auch eine staatliche Hilfe völlig ausscheidet, so wird doch die Regierung das Projekt mit Erleichterungen unterstützen, deren es bei Massenszenen und Aufnahmen in historischen Milieus bedarf. Die Vorbereitungen sind weit gediehen. Gerade in diesen Tagen konstituiert sich die Produktionsfirma »Société La Marseillaise«, und binnen zweier Monate hofft Renoir das Drehbuch fertigzustellen, das er mit mehreren fachkundigen Autoren zusammen bearbeitet. Es entrollt die Revolutionsgeschichte in volkstümlicher Form; den Auftakt bildet die Schilderung der ökonomischen Krise, die zur Einberufung der Generalstände geführt hat, den Abschluß die Schlacht von Valmy, von der Goethe bemerkte, daß mit ihr eine neue Epoche der Weltgeschichte anbräche. Unmittelbar nach Beendigung des Drehbuchs werden die Aufnahmen beginnen, bei denen eine Mitwirkung der Pariser Bevölkerung vorgesehen ist, die sicherlich wie keine andere dazu geeignet wäre, in der Rolle ihrer Ahnen aufzutreten. Übrigens scheint Maurice Chevalier keineswegs abgeneigt, sich unter diese Massen zu mischen und im Kostüm des Arbeiters die Marseillaise zu singen.

    (NZZ, 26. 4. 1937)